Im Land der Trulli: Apulien im Winter

Trotz einer Vielfalt an Sehenswürdigkeiten und traumhaften Stränden ist Apulien auch heute noch ein oftmals unterschätztes Juwel Italiens. Selbst im Winter hat der Stiefelabsatz Italiens so einiges zu bieten – auch aber nicht nur in der Adventszeit.


„5, 4, 3, 2, 1 – Buon Natale a tutti!“ – Es ist Punkt acht Uhr, als auf der Piazza della Libertà in Ostuni die Lichter am Christbaum angehen und das begeisterte Raunen der Menschenmenge zu hören ist. Italiener stehen bekanntlich auf Kitsch und so ist es kein Wunder, dass sich in den sechs Ortschaften des Valle d’Itria das ganze Dorf zum gemeinschaftlichen Start in die Adventszeit auf der Piazza versammelt oder sich in Polignano a Mare die gesamte Altstadt in ein Weihnachtsmärchen verwandelt. Doch auch fernab des Adventtrubels ist Apulien im Winter eine Reise wert.

Apulien, die südöstlichste Region Italiens, ist trotz einer Vielfalt an Sehenswürdigkeiten und traumhaften Stränden eine oftmals noch unterschätze Urlaubsdestination. Selbst in den Sommermonaten ist der „Stiefelabsatz“ weit weniger überlaufen als etwa die Toskana. Und in der Nebensaison teilt man sich – wenn überhaupt – mit italienischen Touristen den Platz im Restaurant oder an den Sehenswürdigkeiten.

Seit meiner ersten Reise nach Apulien im Spätsommer 2015 zählt die Region für mich unbestritten zu eine der schönsten Italiens. Olivenbäume soweit das Auge reicht, kilometerlange Sandstrände mit türkisblauem Wasser und die charakteristischen Trulli-Häuser. Apulien hat landschaftlich und kulturell viel zu bieten und wirkt dabei authentischer als so manch andere Urlaubsregion Italiens.

Apulien | © individualicious

Ulivi secolari, wörtlich jahrhundertealte Olivenbäume, prägen das Landschaftsbild Apuliens. Mächtige, krumme Stämme zeichnen die uralten Olivenbäume aus, die durch Wind und Wetter geformt wurden. Millionen dieser eindrucksvollen Bäume sind in Apulien zu finden. Wenig überraschend also, dass rund vierzig Prozent der gesamten Olivenölproduktion Italiens in Apulien stattfindet.

Apulien | © individualicious
Apulien | © individualicious

Neben den alten, knorrigen Olivenbäumen, sind es für mich vor allem die charakteristischen Trulli, welche das Landschaftsbild Apuliens prägen. Konzentriert auf das Valle d’Itria, ragen bei einer Fahrt quer über die Landstraßen immer wieder rund zusammenlaufende Häuserdächer zwischen den Olivenbäumen hervor. Bei der Fahrt durch das Itria-Tal stoppen wir in den Ortschaften Ostuni, Cisternino, Locorotondo und schlussendlich Alberobello, dem Trulli-Dorf schlechthin. Doch der Reihe nach…

Ostuni, aufgrund der Vielzahl an weißgekalkten Häusern auch città bianca genannt, liegt auf rund 218m Seehöhe und ist aufgrund der Lage schon von weitem zu erblicken. Die Altstadt Ostunis liegt auf einem der drei Hügel, auf denen die Stadt erbaut wurde. Charakteristisch sind die engen, beinahe unübersichtlich verwinkelten Gassen, oftmals von Bögen überspannt und Häuserfassaden mit grünen Fensterläden und zahlreichen Außentreppen. Hinter jeder Häuserecke gibt es Neues zu entdecken, kleine Läden, einladende Restaurants, Kirchen. Wer durch Ostuni spaziert, nimmt besser erst gar keinen Stadtplan zur Hand, sondern lässt sich von selbst durch die Gassen treiben.

Ostuni, Apulien | © individualicious
Ostuni, Apulien | © individualicious
Ostuni, Apulien | © individualicious
Ostuni, Apulien | © individualicious
Ostuni, Apulien | © individualicious
Ostuni, Apulien | © individualicious
Ostuni, Apulien | © individualicious

Von Ostuni ist es nur eine kurze Fahrt nach Cisternino, einem kleinen Dorf welches durch mehrere Aussichtsplattformen immer wieder einen Blick auf das Itria-Tal freigibt und sich vor allem durch eine kulinarische Besonderheit einen Namen gemacht hat – der sogenannten macelleria. Die macelleria beschreibt man am besten als eine Mischung zwischen Restaurant und Metzgerei. An der Fleischtheke wird das Carne alla Brace ausgesucht, welches im Anschluss auf den Grill kommt und mitsamt Kartoffeln serviert wird. Ein Ereignis für sich und absolut empfehlenswert!

Auch das wenige Kilometer entfernt liegende Locorotondo ist einen gemütlichen Spaziergang durch die Altstadt wert. Viele Sehenswürdigkeiten gibt es hier nicht, doch die kreisförmige Struktur des Dorfes, gelegen auf 410m Seehöhe, verleiht der Stadt seinen Charme. Immerhin zählt Locorotondo nicht zu unrecht zu den schönsten Dörfern Italiens, den „Borghi più belli d’Italia“.

Cisternino, Apulien | © individualicious
Cisternino, Apulien | © individualicious
Cisternino, Apulien | © individualicious
Locorotondo, Apulien | © individualicious
Locorotondo, Apulien | © individualicious

Abschluss der Erkundungstour durch das Valle d’Itria bildet ein ausgiebiger Stopp in Alberobello, „Hauptstadt“ der Trulli. Im historischen Stadtzentrum befindet sich eine regelrechte Ansammlung der Rundhäuser. In den zwei charakteristischsten Stadtteilen, Rione Monti und Rione Aia Piccola, sind rund 1.400 Trulli zu finden, eine Besonderheit, aufgrund derer 1996 die Ernennung zum UNESCO Weltkulturerbe erfolgte.

Alberobello, Apulien | © individualicious

Einst eine Unterkunft für arme Leute, sind die charakteristischen Trulli heute ein wahrer Touristenmagnet und eine beliebte Form der Ferienunterkunft. Die einfachen Steinhäuser mit dem kegelförmigen Dach, das meist ein religiöses oder abergläubisches Symbol ziert, waren ebenso schnell auf- als auch wieder abgebaut, was die Bauern bei einer Kontrolle vor horrenden Strafen schonte. Durch die besondere Bauweise konnten Trulli einfach erweitert und so neuer Platz geschaffen werden.

Alberobello, Apulien | © individualicious
Alberobello, Apulien | © individualicious
Alberobello, Apulien | © individualicious

Entsprechend beliebt ist Alberobello seit 1996 auch bei Touristen, was dazu führt, dass sich der historische Stadtkern gänzlich dem Tourismus verschrieben hat. Ein Souvenirladen reiht sich an den nächsten, durchmischt mit Cafés und Restaurants, gelegentlich auch einem Hotel. Immer wieder laden Shop-Besitzer ein, die Trulli zu betreten und von der Terrasse im oberen Stockwerk über die Trulli-Dächer zu blicken, in der Hoffnung, dass im Anschluss ein Souvenir über den Ladentisch wandert. Und doch, so touristisch das Zentrum Alberobellos auch sein mag, es führt kein Weg daran vorbei, gemütlich durch die Gassen zu schlendern, zu besonders ist die Architektur und der Anblick der Stadt. Gerade in den Wintermonaten kehrt etwas Ruhe in Alberobello ein, so dass die Gassen angenehm leer und die Einheimischen entsprechend freundlich sind.

Alberobello, Apulien | © individualicious
Alberobello, Apulien | © individualicious
Alberobello, Apulien | © individualicious

Das Valle d’Itria hinter uns lassend, steuern wir die adriatische Küste an – und stoppen im Fischerort Monopoli. Ein idyllischer Fischerhafen und typische Altstadtgassen prägen das Stadtbild, in der Nebensaison herrscht für Italien fast schon ungewöhnliche Ruhe. Hotels des bei Norditalienerin beliebten Badeorts konzentrieren sich eher auf den Süden der Stadt, im historischen Stadtkern sind nur wenige Hotels, dafür etwas mehr B&Bs zu finden. Einzig die vielen Restaurants lassen erkennen, was hier im Hochsommer los ist. Jetzt, im Winter, schlendern nur wenige Einheimische die Promenade entlang, stoppen immer wieder und lassen den Blick über das Meer schweifen. Im Hafen schaukeln die blau-bemalten Fischerboote ruhig vor sich hin. Es ist ebendiese Ruhe, die Apulien im Winter auszeichnet.

Monopoli, Apulien | © individualicious
Monopoli, Apulien | © individualicious
Monopoli, Apulien | © individualicious
Monopoli, Apulien | © individualicious

Ganz anders ist das Bild im fünfzehn Autominuten entfernten Polignano a Mare. In der Weihnachtszeit verwandelt sich die Altstadt in ein regelrechtes Winterwunderland, mit Lichterketten, überlebensgroßen Weihnachtsfiguren, Marktständen und Weihnachtsbeschallung aus den Lautsprechern. Selbst Babbo Natale gibt dem kleinen Dorf an der adriatischen Küste die Ehre, um Kinderherzen höher schlagen zu lassen – zumindest für ein kurzes Foto gegen Bezahlung.

Polignano a Mare, Apulien | © individualicious

Malerisch liegt Polignano a Mare auf schroffen Felsklippen über dem Meer. Eine Besonderheit, die das Städtchen zu einem beliebten Ziel für Touristen macht. Im Sommer ohnehin, wenn sich Touristen durch die Gassen drängen und junge Einheimische den Strand bevölkern.

Polignano a Mare, Apulien | © individualicious
Polignano a Mare, Apulien | © individualicious

Doch auch jetzt zur Weihnachtszeit, wenn die Altstadt an den Adventwochenenden zu einem großen Weihnachtsmarkt wird. 5 Euro sind für den Zutritt zur Altstadt zu bezahlen, als Entschädigung gibt es abgepackte Kekse und ein alkoholfreies Getränk als Geschenk. Es lohnt sich, noch vor der hereinbrechenden Dämmerung in Polignano a Mare anzukommen, einerseits um die Stadt noch in ihrem natürlichen Licht zu sehen, andererseits um dem regen Zulauf an Italienern zumindest für kurze Zeit zu entgehen. Denn kaum sind die vielen Lichter an, strömen auch die Besucher in die verwinkelten Gassen. Italiener stehen bekanntlich auf Kitsch, und ja, auch wenn dieses Klischee hier zu 100% erfüllt wird, die aufkommende Weihnachtsstimmung lässt sich beim Bummeln durch die Stadt nicht leugnen.

Polignano a Mare, Apulien | © individualicious
Polignano a Mare, Apulien | © individualicious
Polignano a Mare, Apulien | © individualicious
Polignano a Mare, Apulien | © individualicious
Polignano a Mare, Apulien | © individualicious
Polignano a Mare, Apulien | © individualicious
Polignano a Mare, Apulien | © individualicious

Zum Abschluss unseres Kurztrips nach Apulien werden wir dann ungeplant noch Zeuge eines weiteren Ereignisses in Ostuni – dem gemeinschaftlichen Christbaum-Entzünden im Valle d’Itria. Denn pünktlich zum ersten Adventssonntag läuten die sechs Ortschaften des Itria-Tals gemeinsam die Weihnachtszeit ein. Ein Ereignis, das sich niemand entgehen lassen möchte und so versammelt sich das ganze Dorf auf der Piazza, um kurz vor 20 Uhr den Countdown runter zu zählen und das Einschalten der Lichterkette am meterhohen Christbaum zu bejubeln. Im Hintergrund wird auf einer riesigen Leinwand live aus den anderen fünf Orten übertragen, in denen überall mit Musik und Lichtershow gefeiert wird. Ja, die Adventszeit hat in Apulien Einzug gehalten und mit etwas vorweihnachtlicher Stimmung im Gepäck reisen wir am nächsten Morgen zurück…

Ostuni, Apulien | © individualicious

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7 Kommentare

  1. Jetzt bin ich in Weihnachtsstimmung ;-) Apulien steht schon länger auf meiner Reiseliste, dank deines Berichts ist die Region gerade wieder ein paar Plätze nach oben gewandert!

    1. An der Weihnachtsstimmung kommt man zu der Jahreszeit da unten auch nicht vorbei! ;-) Apulien ist für mich ja eine der schönsten Regionen Italiens. Für sommerliche Eindrücke, klick dich mal durch bei mir am Blog, war auch schon im Spätsommer.

  2. Liebe Mela,
    gerade bin ich auf deinen Beitrag über Apulien zur Weihnachtszeit gestoßen. Vielen Dank dafür! Wir lieben Apulien auch sehr und Anfang Juli geht es wieder dort hin. Dein Beitrag macht aber auf jeden Fall Lust, die Region auch mal im Dezember zu besuchen. Ich hätte nicht vermutet, dass es dann dort so toll ist.
    Liebe Grüße
    Martina

    1. Hi Martina, oh wie schön – Apulien ist einfach jedes Mal wieder eine Reise wert. Die Winterzeit kann ich euch wirklich sehr empfehlen, uns hat es jedenfalls richtig gut gefallen. Schönen Urlaub! lg Mela

      1. Hallo Mela, wir möchten von Weihnachten bis Dreikönig nach Apulien, haben da die Restaurants offen, oder ist eher schwer was zu essen zu finden.
        LG Ehri

        1. Hallo Ehri, da ich zu dieser Zeit nicht in Apulien war, kann ich dazu auch keine verlässliche Antwort geben. Ich denke aber schon, dass man Restaurants finden wird, vielleicht aber weniger als zu anderen Jahreszeiten.

  3. Hallo Mela,
    ich bin jetzt nur zufällig auf deine Seite gestoßen. Wir spielen mit dem Gedanken um den Jahreswechsel kurzfristig zu verreisen. Ein Blick fiel dabei auf Apulien,
    Ich möchte dir zu diesen phantastischen Aufnahmen und die wirklich tolle Präsentation hier gratulieren. Das ist wirklich einmalig gelungen.

    Viele liebe Grüße vom Achensee,
    Falk