Dörferhopping in Umbrien
Es ist ja nun mal so, dass man gerne an Gewohnheiten festhält. In meinem Fall bedeutet das, dass ich nach meinem Auslandsjahr in Siena immer wieder in die Toskana zurückgekehrt bin. Zwar oftmals in neue Orte, zu neuen Unterkünften, aber dennoch – es musste immer wieder die Toskana sein. Daran wird sich zwar vermutlich auch in Zukunft so schnell nichts ändern, doch gelegentlich ist da ja auch noch Platz für andere Ecken Italiens. Umbrien etwa, eine Region die zwar unmittelbar an die Toskana angrenzt und landschaftlich nichts oder nicht um vieles nachsteht, aber dennoch eher noch ein Geheimtipp ist. Vor allem Ende März, wo sich die Gassen von Florenz oder Siena bereits mit Touristen aus aller Welt füllen, bummelt man in den umbrischen Dörfern noch relativ alleine vorbei an den Schaufenstern. Und teilt sich den Tisch zum pranzo maximal mit einer Handvoll Italiener.
Zwar muss Umbrien auf den direkten Zugang zum Meer verzichten, dafür beschert diese Tatsache der Region den Beinamen “das grüne Herz Italiens”. Nicht zu unrecht, ist die Landschaft doch durch sanfte Hügellandschaften, Berge und Täler gekennzeichnet. Und dank des Lago di Trasimeno, der viertgrößte See Italiens, muss man nicht zwangsweise komplett auf das Badevergnügen verzichten.
Und so ist Castiglione del Lago auch der Ausgangspunkt für mein Dörferhopping durch Umbrien. Groß ist der Ort mit seinen rund 15.000 Einwohnern nicht – dafür charmant mit einigen einladenden Bars und Restaurants. Durch die erhobene Lage der Altstadt überblickt man an einigen Stellen den See, am Ufer selbst sorgen eine Promenade, Liegewiesen und der ein oder andere Kiosk für den passenden Zeitvertreib.
Die charmanteste und zugleich belebteste Stadt während meiner Umbrien-Rundreise war das im Südwesten gelegene Orvieto. Wie in manch anderem umbrischen Dorf auch ist die Altstadt vom Bahnhof aus über eine Standseilbahn zu erreichen. An sich schon ein Erlebnis für sich, doch das Auto kann auch einfach an der Rocca Albornoziana und somit direkt an der Bergstation der Bahn geparkt werden, von wo aus es nur wenige Gehminuten bis in den Stadtkern von Orvieto sind. Orvietos Stadtbild ist geprägt von Palazzi aus der Renaissance und dem Mittelalter, am eindrucksvollsten wohl der Dom, die Cattedrale di Santa Maria Assunta. Es ist bezeichnend, wie sehr die Fassade am Eingang und auch an den Längsseiten entlang dem Dom von Siena ähneln – wohl mitunter ein Grund, weshalb mich der Bau beeindruckte.
Empfehlenswert ist es auch, die rund 240 Stufen auf den Torre del Moro zu besteigen. Wer den etwas versteckten Eingang in den Buchladen erstmal entdeckt und für € 2,80 ein Ticket erworben hat, wird oben angekommen mit einem Rundumblick über die Stadt und die umliegende Landschaft belohnt. Und dieses Panorama kann sich sehen lassen! Auf dem Weg zurück zum Parkplatz laden kleine Läden zum Bummeln ein, zudem hat Orvieto viele nette, kleine Trattorien und Osterien für einen kulinarischen Zwischenstopp – etwa einem landestypischen porchetta.
Eine knappe Autostunde von Orvieto entfernt, und durch die lohnenswerten Landschaften des Parco Fluviale del Tevere führend, befindet sich die Kleinstadt Todi, hoch auf einem Hügel gelegen. Ich lande mitten in einem Mittelalterfest, welches die Stadt ohne Zweifel weit mehr belebt als dies an anderen Tagen der Fall ist. Ich gönne mir mitten im Trubel einen Caffè Macchiato, genieße vom Piazza del Popolo weggehend die Aussichtspunkte und trete meine Heimreise für den heutigen Tag an.
Tags darauf ging es in aller Früh weiter südlich – Richtung Spoleto. So richtig warm wurde ich mit der Stadt anfangs nicht. Die verwinkelten Gassen, die um diese Jahres- und Tageszeit wie ausgestorben wirken, versprühten wenig Charme. Doch ich wurde eines besseren belehrt, als ich von der Via Aurelio Saffi kommend plötzlich den Piazza del Duomo vor mir zu Füßen hatte. Beinahe sprichwörtlich, denn um auf dem eigentlichen Platz zu stehen, heißt es zunächst die Stufen hinabzugehen, um sich dann am besten um die eigene Achse zu drehen und den Platz samt Dom so richtig auf sich wirken zu lassen.
Zugleich bietet sich über die Via Gattaponi ein netter Spaziergang rund um die Festung von Spoleto an, bei dem man auch die charakteristische Ponte delle Torri – die Brücke der Türme – passiert. Leider ist diese seit dem letzten Erdbeben gesperrt, so dass der Weg auf die andere Seite über die Brücke nicht möglich ist, doch ist sie auch ein lohnenswertes Fotomotiv und der Blick ins Tal hinein kann sich ebenfalls sehen lassen. Fast am Ausgangspunkt angekommen, führt der Rundweg bei der Bar La Portella vorbei, mit Tischen im Freien für einen kurzen Zwischenstopp bei grandioser Aussicht oder einem schnellen Caffè an der Bar.
Den restlichen Tag verbringe ich mit der Erkundung von Spello und Trevi – zwei Dörfer, die als I Borghi più belli d’Italia, also als die schönsten Dörfer Italiens zertifiziert sind. Schön sind beide, ohne Zweifel, gerade in der Vorsaison ist in den kleinen Dörfern jedoch im wahrsten Sinne des Wortes tote Hose, so dass es um die Mittagszeit äußerst schwierig ist, eine geöffnete Trattoria zu finden oder einen Platz in der Sonne, wo man einen Caffè genießen kann. Zum Herumbummeln lohnen sich die beiden Dörfer jedoch auf alle Fälle und so irgendwie ist die Einsamkeit und Ruhe, welche Spello und Trevi ausstrahlen ja auch erholsam.
Zu guter Letzt sollte das Städtchen Gubbio in keinem Fall bei einer Umbrien-Rundreise fehlen. Ein überraschendes Highlight am Ende meiner Reise, hatte ich mir von jener Kleinstadt, die so kurz vor der Region Marken liegt, doch eigentlich nichts großartiges erwartet. Doch Fehlanzeige, schon bei der Anfahrt ist von weitem das brüchige Teatro Romano zu sehen, das einige Meter vom Eingang zur Altstadt entfernt fast verlassen auf einer Wiese steht. Die Altstadt selbst überrascht mit eindrucksvollen Häuserfassaden in teils steiler Hanglage. Der Piazza Grande hält imposante Bauten wie den Palazzo dei Consoli oder den Palazzo Pretorio parat, gesäumt von einstigen Adelshäusern auf der Nordseite.
Wahres Highlight in Gubbio ist jedoch die Auffahrt auf den Monte Ingino mittels der Funivia Colle Eletto – eine Freiluftgondel, wenn man dem Ding einen Namen geben möchte und eine wacklige Angelegenheit, die auf den ersten Blick Mut erfordert. Vor allem, wenn man wie ich an Höhenangst leidet. Doch in Wahrheit alles halb so wild, die Bergfahrt auf rund 908 Meter Seehöhe verläuft weit ruhiger als gedacht, so dass ich nicht nur die Aussicht genießen, sondern auch einige Schnappschüsse einfangen kann.
Ach Italien! Da fahr ich immer gerne hin :-) Umbrien kenne ich bisher noch nicht, ist aber bereits seit deinem letzten Beitrag über die Region auf meiner Reiseliste gehüpft.
Ich kann’s wirklich nur empfehlen. Zwar wird die Toskana bei mir immer “angesagter” bleiben als Umbrien, doch es ist definitiv ein lohnenswertes Ziel.
Hallo,
zehre nun schon öfter von Ihren kurz und knappen Berichten (u. den Fotos).
Bei meiner Umbrien-Reise 2015 war der Kern die Umrundung des Trasimenischen Sees, was mit über 71 km
in 2 Etappen auch gepackt wurde.
Die gesamte Planung von Perugia nach Süden, in die von Ihnen beschriebenen Städte etc. fiel dann leider
durch die Überanstrengung der See-Umrundung ins Wasser.
Hat mich geärgert, aber ich bin so stur, dass ich, wenn ich mir etwas vorgenommen habe, es auch mache.
Dadurch lese ich Ihren Beitrag natürlich mit etwas “Trauer” und sehen, was mir entgangen ist.
Th.Roth
Noch nie von diesem Ort gehört. Aber es sieht nach einer Stadt mit sehr viel Geschichte aus :). Mehr infos über die Stadt wird wohl nicht schaden. Viele Grüße aus Defereggental Osttirol
Ha, gerade unter dem anderen Artikel Orvieto erwähnt und hier ist es schon :) Sieht klasse aus…
Die Gondel in Gubbio bräuchte ich aber nicht.
Diese “Freiluftgondel” ist aber tatsächlich weit weniger schlimm als sie aussieht und eigentlich ziemlich lustig.
Großartiger Fund… :-)
mit derselben Gondel bin ich 1982 vom Karerpass ins Skigebiet “gegondelt” worden.
Wir sind Mitte Mai 2020 in Gubbio und ich freue mich wie ein kleines Kind auf die Gondelfahrt.
Ich hab sie immer noch in guter Erinnerung – viel Spaß!
Hallo Mela,
so ein toller Blogbeitrag über Umbrien! Wir glauben, wir müssen diese Region Italiens besser unter die Lupe nehmen. Diese Dörfer sind unheimlich schön! Deine Bilder zeigen die typisch italienische Stimmung!
Von den Orten, die du beschrieben hast, kennen wir nur Orvieto. Auf dem Rückweg aus Tropea haben wir diese kleine traumhafte Stadt besichtigt und darüber einen Artikel geschrieben ( https://www.travelsicht.de/sehenswuerdigkeiten-in-orvieto-fuer-einen-tag/ )
Orvieto ist wirklich ein Schmuckstück. Am liebsten hätten wir noch einige Tage dort verbracht.
Welcher war dein Favorit von diesen Orten?
Wir wünschen dir weiterhin gute Reisen und viel Spaß mit dem Blog!
Liebe Grüße,
Ildi und Balint